
Barbie, oh Barbie – deine Zeit ist gekommen, du bist es nicht mehr – das role model, the shining star. The Vodoo, that you do … The Vodoo, that has been done to you – er ist vergangen.
Auch ich finde nichts »Gutes« an dir, Barbie. Ich habe nicht einmal mit dir gespielt. Klar – mit sechs Jahren, oder so, wollte ich auch mal ‘ne Barbie. Aber als ich sie dann bekam (wohlgemerkt nicht von meinen Eltern – die hätten mir keine schenken wollen), war mir schnell klar: An dir, der Barbie, da ist nichts Kuscheliges dran … Also hab ich lieber wieder mit Monchhichis gespielt.
Barbie, du bist das weibliche Gegenstück zum Alten Weißen Mann. Und diesen Terminus Tragikus – wie oft höre ich ihn aus dem Mund von befreundeten jungen Männern und spüre Mitleid mit ihnen. Sie werden doch auch bald alte weiße Männer sein. Fast alle Männer um mich herum sind weiße Männer und ich finde sie trotzdem fast alle super. Klar: sie sind nicht so privilegiert wie Der weiße Arschloch-Mann, aber gehören sie nicht vielleicht auch in eine Schublade mit ihm? In jedem Fall sind sie privilegierter als ich es bin.
Und du Barbie, du bist ja auch privilegierter als ich es bin, du verkörperst geradezu ein Privileg: das körperliche Ideal, den Nicht-Makel. Du bist eine furchtbare Bedrohung für normale Frauen wie mich. Ich habe Glück und hatte nie Probleme mit meinem Körper. Hätte ich aber haben können. Wie das viele Frauen haben, Freundinnen von mir zum Beispiel. Das macht mich wirklich unglücklich und dafür hasse ich dich auch. Weil du das repräsentierst, was von Frauen erwartet werden kann. Was manche Frauen von sich erwarten. Weil du in dieses Konglomerat an Frauenbildern gehörst, die wir überall sehen. In der Werbung, in den Schaufenstern, in Filmen. An Puppen.

Und ich weiß, Barbie, das wünschst du dir vielleicht gar nicht so. Wahrscheinlich sind das alles nur Zuschreibungen, die sich in deiner Form entladen haben. Doch selbst, wenn du nichts dafür kannst: dass es so ist, ist nicht nur traurig für uns Frauen, es ist wie Gewalt, es ist himmelschreiend schlecht, es ist übergriffig und ungerecht!
In diesem Sinn: Wie schön, dass du nicht mehr „in” bist, Barbie!
Gestern habe ich zwar gelernt, dass deine Marketingmaschinerie immer noch auf Hochtouren läuft. Das könnte gegen meine These, du seist out, sprechen. Aber ganz ehrlich – gekauft wird immer und überall, mit dem Wohlstand wurden Deinesgleiche in die Welt gespült. Dass du noch verkauft wirst, bedeutet nicht, dass du noch etwas bedeutest.
Allerdings fällt mir auch auf, was ich gut an dir finde, Barbie: Du bist eine erwachsene Frau. Du bist kein Baby, mit dem kleine Mädchen, Kinder, spielen, dass sie Mamis sind. Schön mit 7 Jahren spielen, wie man Babypuppen wickelt, füttert, sich um sie kümmert. Schön care-work lernen….. Nein, bei dir, Barbie, musste man diese Muttertugenden als Mädchen-Kind oder Jungen-Kind nicht wieder und wieder spielen. Mit dir hat man Erwachsenensachen gemacht. Mit dir hat man Reichen- und Privilegiertenleben gespielt. Dich angezogen, dich umgezogen. Gespielt, wie du und Ken Sex habt. Dir aus Spaß die Haare geschnitten und dabei gemerkt, dass man versucht hat, dich im Spaß so häßlich wie möglich zu machen. Dich gequält, dir den Kopf ausgerissen, mit Nadeln Voodoo an dir ausprobiert. Den eigenen Sadismus an verpuppten Privilegien rausgelassen.

Und Barbie: wir teilen die Passion für Fashion 🙂 Am Liebsten würde ich mich auf einen Barbie-Cocktail mit dir zum Kleidungsvorführen treffen.
Aber deine Mode wird leider häufig als Anzeichen deines geringen Intellekts aufgefasst. Dass du dich nicht unter Kontrolle hast, dass du nur an Konsum denkst. Nun, Barbie, das tut mir für uns beide leid, dass das immer so falsch gelesen wird. Wenn all jene, die dir das unterstellen – und watch out!!! Das tun viele – doch nur die Quelle von Freude und Gestaltungsmöglichkeiten in Kleidung erkennen würden….Sich trauen würden, sie zu nutzen … Nicht auszudenken, wieviel Spaß das bereiten könnte!! Deine glänzenden Bikinis, deine mini-wini Absatzschuhe, deine bunten Caprihosen und so – die find ich super! Sie machen mir schon Freude, wenn ich sie auf einem Bild auf ebay Kleinanzeigen sehe.
Also, Barbie, was machst du jetzt, da dein Stern untergeht? Was wirst du tun, wenn du mit deinem Leben machen kannst, was du willst. Wenn nicht mehr Jede und Jeder in dir die blöde Privilegien-Ziege sehen muss.

Wie wirst du dann drauf sein? Wie wird dein Barbiewerdungs-Prozess aussehen? Oder brauchst du gar keine Selbstfindung durchmachen? Ist das nun meine Projektion, weil ich denke, dass du dich verändern müssen wirst, um über all das Schreckliche hinweg zu kommen, was ich in dir sehe? Liege ich da vollkommen falsch …? Wie wunderbar das wäre…! Du liebst dich bereits und freust dich einfach darauf, dass dich endlich alle mit ihren Zuschreibungen in Ruhe lassen werden.
Wer, Barbie, wirst du sein? Kannst ja mal bei mir vorbei kommen. Ich trink keinen Alkohol, aber ich mach uns einen alkoholfreien Cocktail. Und kann dir meine Kleider zeigen.
Bettina ist Diplom-Designerin und arbeitet am Liebsten rund um das, was ein performatives Kostüm sein kann. Wenn die Blätter im Herbst fallen, freut sie sich darauf, dass sie im Frühjahr wieder kommen.
Komplex! Außer M. weiß niemand, dass Barbie Feministin ist
Regie: Iris Keller
Spiel: Li Kemme, Coline Petit
Text: Anna Renner, Ensemble
Musik: Li Kemme
Beratung Musik: Marius Alsleben
Öffentlichkeitsarbeit: Marie-Christine Kesting
Koproduktion mit FITZ! Zentrum für Figurentheater Stuttgart
Gefördert von Landesverband Freier Tanz- und Theaterschaffender Baden-Württemberg e. V. aus Mitteln des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst des Landes Baden-Württemberg, Fonds Darstellende Künste e. V.
Unterstützt von Komma – Jugend und Kultur Esslingen, Raumstation Stuttgart, Figurentheater Eppingen
http://www.facebook.com/kompanieeinszehn
www.kompanie110.de
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