Jedes Ding ein Fossil. Drei Assoziationen zu El Solars TAGEBUCH ZWISCHEN DEN ZEILEN

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»Wie immer ich die Dinge zu betrachten versuche, nie komme ich zur Ruhe. Ganz im Gegenteil, je mehr ich sie betrachte, desto unruhiger werde ich nicht nur für die Gegenwart, noch mehr für die Zukunft. Denn die Dinge in meiner Umgebung stehen nicht und bilden nur einen augenblicklichen Umstand. Sondern sie bewegen sich oder werden bewegt, und es gibt in meiner Umgebung immer Verschiebung. Mein Umstand verschiebt sich immer und ich muss immer in anderen Umständen leben.«

– Vilém Flusser: Dinge und Undinge. Phänomenologische Skizzen

»Der Mensch teilt sein eignes geistiges Wesen in seiner Sprache mit. Die Sprache des Menschen spricht aber in Worten. Der Mensch teilt also sein eignes geistiges Wesen (sofern es mitteilbar ist) mit, indem er alle anderen Dinge benennt. […] Wozu benennt? Wem teilt der Mensch sich mit? – Aber ist diese Frage beim Menschen eine andere als bei anderen Mitteilungen (Sprachen)? Wem teilt die Lampe sich mit? Das Gebirge? Der Fuchs? – Hier aber lautet die Antwort: dem Menschen. Das ist kein Anthropomorphismus. Die Wahrheit dieser Antwort erweist sich in der Erkenntnis und vielleicht auch in der Kunst. Zudem: wenn Lampe und Gebirge und der Fuchs sich dem Menschen nicht mitteilen würden, wie sollte er sie dann benennen? Aber er benennt sie; er teilt sich mit, indem er sie benennt. Wem teilt er sich mit?«

– Walter Benjamin: Über die Sprache überhaupt und über die Sprache des Menschen

»Bescheidene und sogar verworfene Objekte wurden zu Hieroglyphen, in deren dunklem Prisma die sozialen Verhältnisse in Bruchstücken eingefroren lagen. Sie wurden als Knotenpunkte verstanden, in denen sich die Spannungen eines bestimmten historischen Moments in einem Blitz der Erkenntnis entluden oder sich grotesk im Warenfetisch verkrampften. In dieser Perspektive ist ein Ding niemals nur irgendetwas, sondern ein Fossil, in dem ein Kräfteverhältnis versteinert ist […].
Wir sollten aufhören, zu erwarten, dass [die Sprache der Dinge] uns etwas über Essenz erzählt, und stattdessen erwarten, dass sie uns über Veränderung erzählt. Und wir müssen uns daran erinnern, dass die Praxis des Übersetzens [der Sprache der Dinge] nur dann Sinn macht, wenn sie jene anderen Formen der Verbindung, Kommunikation und Verhältnissetzung hervorbringt, die notwendig sind.«

Hito Steyerl – Die Sprache der Dinge

El Solar. Agentur der Objektdetektive
Vom 9. – 13.11.18 im Weinsalon, Schreinerstraße 59, 10247 Berlin

Foto: Handmixer RG 28s aus DDR-Produktion im DDR-Museum Pirna, CC-BY-SA-4.0