Performance Performance. Annika Haas über Shahab Anoushas WHIRLPOOL

Ein Staubsauger wird angeschaltet. »Die Vorstellung beginnt«, kündigt der Untertitel auf der mittig im Bühnenraum platzierten Projektionsfläche an. Der Performer Shahab Anousha trägt, ebenso wie der Staubsauger, eine Kombination aus Schwarz und Neongrün. Zusammen reinigen sie den ohnehin makellosen weißen Bühnenboden. Der Untertitel auf der Projektionsfläche schaltet sich wieder dazu: »All that is solid, melts into air«. Irgendwo schonmal gehört. Ach ja, dieses Marx-Zitat, das auffällig oft im Kunstkontext auftaucht. Das Spiel zwischen Performer- und Staubsaugerkörper lenkt mich schnell wieder davon ab. Denn nun wird nicht mehr nur der Boden gesaugt. Gewissenhaft wie zärtlich fährt der Performer mit dem Staubsaugerrohr die Bühnenelemente ab: Lautsprecher, Bodenmarkierung, den eigenen Körper.

Foto: Daniel Domolky

Wird es hier um Reinigungskräfte, unbezahlte Hausarbeit, die Ästhetik von Haushaltsgeräten gehen? Ist »Whirlpool«, der Titel des Stücks, nicht auch eine Marke für sogenannte Weißware? Wieder ist es das Bühnengeschehen, das meine vorschnellen Assoziationen ausbremst. Der Staubsauger ist von AEG und zieht mich in den Bann, weil er so verwunderlich und angenehm leise surrt.

Voller Sorgfalt und mit geradezu preisenden Gesten nimmt Shahab Anousha das Gerät auseinander. – Was für ein schöner, wolkenförmiger Staubbeutel! Und wie schön Reinemachen sein kann: Die eleganten Bewegungen des Performers ästhetisieren jeden Arbeits- respektive Tanzschritt beim wertschätzenden Zerlegen des Geräts. Als der Staubsauger schließlich seines Schlauches, Beutels und Rohrs entledigt und auf seinen ‚Korpus‘ reduziert ist und leblos an der Hand von Anousha hängt, entsteht mit Musik von Vivaldi im Hintergrund eine Art Pietà vivant.

Foto: Andreas Schlieter

Bis zu diesem Punkt hat der Performer in gefühlt fünf verschiedenen Tanz- und Bewegungsstilen mit den Körperteilen des Staubsaugers interagiert. So wie der Staubsauger wird auch die Performancesprache in ihre Einzelteile zerlegt. Das ironische Setting betont, dass es sich dabei um ästhetische Körpersprachen handelt. Es lässt sie übertrieben wirken und befragt sie in ihrer historisch gewachsenen Ernsthaftigkeit und selbstverständlichen Verwendung auf der Bühne. Die Performance mit dem Staubsauger ist damit eine Performance über die Performance und reiht sich in die jüngere Tradition der Lecture Performances ein, wie sie etwa Xavier Le Roy mitbegründete, der auch im Abspann als Referenz genannt wird. Gleichzeitig ist es unterhaltsam und witzig, was Anousha da auf und mit der Bühne veranstaltet. (Nicht nur mit dem Staubsauger, ihm folgen ein stummes Karaoke, ein Slapstick-Catwalk und eine Szene in Zeitlupe.)

Foto: Daniel Domolky

Wie ich von Anousha nach dem Ende des Stücks erfahre, sind beide Elemente – die reflexive und theoretische Auseinandersetzung mit dem Performen und der Humor gleichermaßen wichtig für seine Praxis. Er kommt aus dem Bereich Pantomime, liebt humoristische Experimente und das Spiel mit der Anwesenheit und Abwesenheit des eigenen Körpers im Bühnenraum. Und er hat Performance Studies studiert, und damit auch einiges an postmodernen Theorien, die sich daran abarbeiten, dass An- und Abwesenheit keine klaren Gegensätze sind. Ganz im Gegenteil: die Anwesenheit des Performers gibt es nur durch seine Abwesenheit. Und seine Abwesenheit verweist zurück (oder voraus) auf seine Anwesenheit. Was kompliziert klingt, verwirbelt Anousha hier im »Whirlpool«. Er setzt Menschen wie mich, die rätseln, ob sein amüsantes Verschwinden und Auftauchen hinter einem Tuch vielleicht eine Referenz an das Freud’sche Fort-Da ist, zusammen in einen Pool mit jenen, die das auch ohne diesen Subtext lustig finden. Das Erstaunliche ist, dass sich beide Gruppen dabei pudelwohl fühlen. Alle lachen über die großen wie die subtilen Gesten der Dekonstruktion des Performens auf der Bühne.

Foto: Silke Haueiß

Am Ende gibt Anousha die Arbeit der Performance-Performance ganz an ein Haushaltsgerät ab und zeigt das Video einer Waschmaschine, die sich im Turboschleudergang selbst zerlegt. Auch das kann man theoretisch als Reminiszenz an den unerfüllten marxistischen Traum lesen, dass Maschinen uns die Arbeit abnehmen, vielleicht sogar auf der Bühne. Die Stärke von Anoushas Stück zeigt sich aber auch hier darin, dass das Lachen unausweichlich ist. Wenn die Trommel der Whirlpool-Maschine wie ein Schaf über die Wiese hüpft, gibt es kein Halten mehr und es ist endgültig bewiesen, dass auf und auch jenseits der Bühne Dekonstruktion und Humor Hand in Hand gehen können.  

Annika Haas ist Medientheoretikerin an der Universität der Künste Berlin. Eigene Performances erinnert sie voller Verunsicherung.ab.

Whirlpool
Shahab Anousha, Deutschland
Performance mit Objekten

Mit Shahab Anousha, Josema Enriquez / Unterstützt von Universität Hamburg, Kampnagel Hamburg