Eine Annäherung an WETWARE in 4 Songs von Céline Couson

Von Céline Couson

Song 1: SOPHIE- Is it cold in the water?

Nass war’s schon im Urmeer, dem Ort in den sich unsere Vorfahren bei körperwarmen 37 Grad angeblich so wohlgefühlt haben. Doch was ist aus dem wohligen Sud des Geborgenseins geworden? Nach Donna Haraway ist der Körper des 21. Jahrhundert eine lebendig-technoide Plattform, und das Resultat einer Implosion der Begriffe von Subjekt und Objekt, des Natürlichen und des Künstlichen. Was hält den fragmentierten Körper noch zusammen, neben dickem rotem Blut und Testo-Gel? Und gibt es überhaupt warm und kalt für das technoide Selbst…?

WETWARE, Foto: Marcus Niessner

Song 2: Charli XCX – Warm (Feat. Haim)

Wie warm oder kalt die Schaumstoff-Körperteile und der mechanisch pulsierende Körper des O-Teams auf der Bühne sind, können wir nur erahnen. Womöglich eher weich und leicht als erdrückend und hart. Und doch stellt sich die Frage: Wenn der Körper also tatsächlich eine designte Plattform sein kann, warum kleben wir dann doch immer noch so an den Umrissen der Körper und ihrer klebrigen Oberflächen?

WETWARE, Foto: Marcus Niessner

Song 3: Matthew Herbert – It’s only

„Im Punk der Hypermodernität geht es nicht mehr darum, eine okkulte Wahrheit der Natur aufzudecken, es geht darum, die kulturellen, politischen und technischen Prozesse zu explizieren, durch die der artifizielle Körper seinen natürlichen Status erhält.“
Paul B. Preciado – Testojunkie

Matthew Herberts Album »Bodily Functions« verwandelt direkte Aufnahmen menschlicher Körpergeräusche wie dem Herzschlag, dem Blutfluss, dem Atem in tanzbare Beats. Der musikalisch rekonstruierte Körper in bpms schafft eine neue Realität der „Natürlichkeit“.

Nach der Vorstellung von WETWARE, Foto: Céline L. Couson

Song 4: PEACHES – Light in Places

Die Erfahrung des fragmentierten Körpers, des gender troubles, des Nicht-Binären und Fluiden ist schwer in ein Theaterbild zu übersetzen. Nina Malottas technisch aufwändigen Bühnensettings der hin- und hergezogenen Körperteile finden dafür in »WETWARE« eine poetische Übertragung. O-Team erschafft so einen Zwischenraum zwischen Fleisch und Cyborg, zwischen Schaumstoff und lebendigem Körper, der die designbaren Grenzen verwischt.

In einem anderen, wütenderen Tonfall hat Peaches diese Feier der widerständigen Körper und des Fluiden geprägt. Von „Dicks in the air“ bis zu „Fuck the pain away” lieferte sie Hymnen, die Körper – so zerrissen sie auch sein mögen – neu zusammenfügen und zum Tanzen bringen.

WETWARE, Foto: Lea Röwer

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Céline L. Couson studierte Kultur- und Musikwissenschaft sowie Kulturmanagement und bewegt sich an den Schnittstellen der Fächer. Sie wäre sich gerne der Dinge sicher, zweifelt jedoch dafür zu viel.
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»WETWARE«
O-Team feat. Antje Töpfer und Folkert Dückert, Deutschland

Spiel, Figurenbau Antje Töpfer/ Spiel Folkert Dückert/ Regie, Konzept, Maschinen Samuel Hof/ Bühnen- und Kostümbild Nina Malotta/ Musik Harry Delgas/ Dramaturgie Antonia Beermann/ Technische Leitung Robin Burkhard/ Produktion Isabelle Gatterburg/ Koproduktion mit HochX Theater, Live Art München, Theater der Stadt Aalen/ Gefördert von Fonds Doppelpass der Kulturstiftung des Bundes, Landeshauptstadt Stuttgart/ Das Gastspiel wird unterstützt durch den Fonds Doppelpass der Kulturstiftung des Bundes.