Video kills die flüchtige Form – oder nicht?

Q&A mit Filmemacher Alexander Hector

»Das Theater ist eine flüchtige Form. Je länger jemand auf der Bühne steht, desto näher kommen wir dem Ende und dem Nichts. […] Ob die Kamera davon etwas bewahren kann? […] Auf einem Chip, klein genug, um ihn unter die Haut zu implantieren? Ich weiß nicht. Arschloch nennt mich eine befreundete Regisseurin. Sie zwinkert mir zu, aber ich stocke.«

Video zur Schaubude-Forschungsresidenz 2017

Was ist dir besonders wichtig zu beachten, wenn du Theaterproduktionen abfilmst?

Ich packe mein Equipment zusammen und lade meine Kamera-Akkus auf. Allerdings ist einer etwas kaputt. Wenn man Pech hat, blinkt das kleine Lämpchen, das den Ladestand anzeigt, ganz aufgeregt und schnell wie ein rotes Glühwürmchen und wird vor lauter Verzweiflung nie grün.

Weil die Akkus nachts laden, wenn ich schlafe, merke ich das immer erst, wenn es zu spät ist. Dann brauche ich eine Steckdose im Theater. Die alte Batterie mag die Theateratmosphäre. Die dunklen, schönen Ecken im Saal. Es gibt dort nette Steckdosen mit farbigem Gaffa, auf dem alte, mit Edding geschriebene Notizen stehen. Dann blinken die Lithium-Ionen mit ruhigem und vertrauenswürdigen Herzschlag und ich bin guter Hoffnung, dass der Akku bis zur Pause ein wenig Kraft geschöpft hat.

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Gibt es einen merklichen Unterschied zwischen Videoaufnahmen von Puppen-, Figuren- und Objekttheater im Vergleich zu Performances und Theaterformen, in denen menschliche Akteur*innen im Zentrum stehen?

Wenn ich filme, trenne ich nicht zwischen den Formen. Alles, was mir auf der Bühne begegnet, nehme ich gleich hin: Menschen, Figuren, Objekte, Requisiten, Licht. Ich versuche eigentlich, nur zu sehen und zu hören wie diese Teile zusammengefügt wurden.

Trailer: Alexander Hector

Geht beim Vorgang des Abfilmens etwas verloren?

Das Theater ist eine flüchtige Form. Je länger jemand auf der Bühne steht, desto näher kommen wir dem Ende und dem Nichts. Wie bei einer Sanduhr. Ob die Kamera davon etwas bewahren kann? Digital? Theater aus Nullen und Einsen? Auf einem Chip, klein genug um ihn unter die Haut zu implantieren? Ich weiß nicht. »Arschloch« nennt mich eine befreundete Regisseurin. Sie zwinkert mir zu, aber ich stocke. Es war ja nicht böse gemeint. »Ich liebe doch das Theater«, will ich etwas pathetisch hinzufügen, »alles ist flüchtig und in Bewegung. Jede Inszenierung verändert die Realität!« Ich glaube, sie will, dass ich die Klappe halte. Ob eine Kamera die Realität festhalten kann, ist eine große Frage. Schön wäre es natürlich.

Gibt es etwas, das der Vorgang des Abfilmens transformiert oder aber hinzufügt?

In gewisser Weise führt diese Frage den Gedanken weiter. Ich frage mich oft, ob Theater und Film Realität spiegeln, transformieren oder sogar kreieren. Manchmal habe ich das Gefühl, als sei alles schon da und die jeweiligen Medien müssten wie Transmitter nur auffangen und wiedergeben. Hier wird es aber sehr kompliziert. Klar ist für mich auf jeden Fall, dass Theater und Film wunderbar zusammenpassen. Wie Musik und Film. Wenn man die Verschiedenheiten beider Sprachen akzeptiert, gibt es viele Gemeinsamkeiten.

Sich Einfühlen

Gibt es einen besonderen Zugang deinerseits, um die Momente der Objekt-Animation bzw. der Objekt-Manipulation adäquat abzufilmen? Und falls ja: Kannst du uns ein Beispiel nennen oder einen kurzen Einblick gewähren?

Nachdem die Künstler*innen mehrere Wochen oder Monate hart an der Inszenierung gearbeitet haben, ist es in diesem Fall natürlich nicht metaphysisch, dass »schon alles da« ist. Da bleibt mir nur, mich in diese Arbeit einzufühlen und zu versuchen, den Stil zu lesen und wiederzugeben.

Hat sich dein Blick auf deine Arbeit durch die Corona-Pandemie verändert?

Vielleicht wachsen Theater und Video etwas mehr zusammen, was ja nicht unbedingt schlecht ist, aber es sollte das Unmittelbare und Räumliche des Theaters nicht kaputtgehen. Ich glaube, die Physis des Theaters und seiner Räume ist sehr wertvoll für den Menschen.


Bilder, Video: Alexander Hector


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