#TakeCareResidenzen, Projektzeitraum Februar bis März 2021
Superhelden können alles. Zuerst mal können sie alles sagen. Und sie können alles auch singen. Sie sind Superhelden – oder sie spielen sie.

In dieser Recherche haben wir uns vor allem Worten und Klängen gewidmet. Sie bilden die Grundlage für eine spätere Stückentwicklung, die Privatheit und Inszenierung auf der Bühne am Beispiel von eigenen Superheldenfiguren ausloten will: Ihre Verletzlichkeiten wollen wir untersuchen und ihre Zartheit annehmen.
Zeig deine Wunde, Superheld! Zeig deine Kraft und lass uns teilhaben an der Schönheit deiner Schwäche!

Miaulina ist Musik. Miaulina sind vier Leute, die Musik machen und zwei, die sie spielen und die vor allem mit ihr spielen. Diesmal spielen sie Superhelden. Sie haben einige Abgründe kennengelernt und auf, über und mitten in diesen Abgründen spielen sie. Superhelden in Krisen. Superhelden, die versuchen, elegant zu leben. Elegant oder eloquent oder einfach echt. Edelmütig. Edel im Umgang mit der großen weiten Welt und mutig gleich dem muffeligen Nachbarn zuliebe.
Dem eigenen Schweinebiest bieten sie die Stirn und kapitulieren einen Atemzug darauf vor der wilden Jagd der Vorstellung. Der geben sie sich hin. Der vertrauen sie sich an.
Wenn die Musik nicht wäre, wären sie dahin. Fortgeblasen von den Trompeten des Superseins. Wenn die Musik wäre, wie sie klingt, hier und in diesem Moment – sind sie ganz da. Die beiden Helden ohne Heldentum, die zart besaiteten Rampensäue, die hoffnungsvollen Superleute mit Musik in Bauch und Birnen.

Im Laufe unserer Arbeit sind wir immer mehr zu den Superhelden vorgedrungen. Dabei lassen wir uns eher von unserer eigenen Intuition leiten als von Avengers und anderen Vorbildern. Interessieren tut uns vor allem die Verwandlung – dieser Moment des Wechsels vom Superwesen zum Menschen, vom Mensch ins Superwesen. Wir suchen die Abstürze. Und wir suchen die Höhenflüge. Wir wollen sie nackig sehen, unsere Superhelden. Nackt, aber nicht bloßgestellt. Ihre Verletzlichkeiten wollen wir untersuchen und ihre Zartheit annehmen.
In der Recherche haben wir vor allem Texte und Lieder entwickelt. Wir haben einen Klang gesucht und gefunden. Und waren selbst überrascht:
Musiktrailer MIAULINA
Kompositionen & Arrangements: Kay Skerra, Dirk Hessel
Texte, Lieder & Gesang: Claudia Engel, Matthias Ludwig
Auszüge aus den Superhelden-Tagebüchern: The Stressmaker
13. Februar. Heute morgen habe ich den Platz des Himmlischen Friedens gefegt. Ich brauchte dafür genau 65 Reisigbesen und 80 Minuten. Um kurz nach halb Zehn war ich fertig, jeden Quadratzentimeter des 40 ha großen Platzes habe ich vom Staub befreit. Als ich anfing, wollte man mich zuerst verhaften, doch ich war so in Rage und voller Elan, da kam niemand an mich ran. Nun glänzt der Platz in der chinesischen Morgensonne und der Frieden auf der Welt ist wieder hergestellt. Ich war selber ganz erstaunt von der großen Wirkung...
1. März. Ich vermute, dass dieses ganze Pandemiedingens ein ausgeklügelter Schachzug meines erbitterten Widersachers Dr. Mono ist und er mich nur aus der Reserve locken und außer Gefecht setzen will. Da hat er jetzt zwei Wochen lang freie Bahn gehabt. Okay, die erste Runde geht an ihn, aber morgen werde ich die Virendinger umzüchten in duftenden Sprühnebel und Haarwuchsshampoo. Und dann kann sich Mono frischmachen: Der wird dann aussehen, wie ein Neandertaler und duften wie ein Veilchen.
Auszüge aus den Superhelden-Tagebüchern: Story Emp
20. Januar. In der letzten Zeit war ich ganz aus Versehen voll dunkler Magie. … Wen ich auch traf, der brach sich das Bein. Also lebe ich in Sorge. Ich möchte niemanden mehr treffen. Wenn es sich nicht vermeiden lässt, zwinge ich mich, desjenigen Schuhe nicht zu sehen, nicht darauf zu achten, nicht daran zu denken. Was ist es, das die Leute hinfallen lässt?
21. Januar. Ich liebe das Süße. Es hilft gegen Bitterkeit. Und genau das ist das Problem. Mitunter leugne ich das Bittre. Ich schwebe dahin, ständig will ich Glück produzieren, immer alle happy sehen. Manchmal, wenn ich gute Arbeit mache, huscht den depressivsten Leuten ein zartes Lächeln übers Gesicht. Aber ich gehe dann nicht tiefer. Ich gebe mich zu schnell zufrieden. Ich habe die Krankheit vieler Menschen geerbt: Hauptsache süß, Hauptsache leicht, Hauptsache alles läuft in wolkiger Bahn. Für meine Mission ist das eine große Gefahr…
Kern der flunker produktionen sind die beiden Puppenspieler*innen Claudia Engel und Matthias Ludwig. Sie haben beide an der Berliner Hochschule für Schauspielkunst »Ernst Busch« Puppenspielkunst studiert. Ihre Inszenierungen entstehen in Zusammenarbeit mit verschiedenen Regisseur*innen, Spieler*innen, Musiker*innen und bildenden Künstler*innen. Hauptanliegen ihrer Produktionen ist es, mit den Mitteln des Theaters gedankliche und emotionale Welten zu öffnen. Ihr Herzensprojekt MIAULINA entsteht im Zusammenspiel mit den beiden Musikern Kay Skerra und Dirk Hessel.