Von PRESS [ST]ART (Lena Biresch, Tore Nobiling & Nico Parisius)

Hintergrund
»Me, Myself & My Avatars (or remapping the homunculus)« beschäftigt sich mit der Bedeutung von Avataren in der virtuellen Realität und möchte die Chancen und Grenzen ausloten, die in ihrer Nutzung liegen. Es geht dabei zentral um die Erweiterbar- und Veränderlichkeit des Homunkulus, einer im Neurokortex verorteten Kartierung der vom Körper erlebten Bewegungen und Empfindungen. Diese Kartierung ist nicht nur verzerrt, da die Körperregionen mit mehr Nervenenden oder Verbindungen im Gehirn größer abgebildet werden als die weniger empfindsamen. Sondern man weiß auch seit langem, dass sie veränderlich ist.
Diese Fähigkeit des menschlichen Gehirns nennen Lanier et al. »homunkuläre Flexibilität« (vgl. Lanier, Jaron (2018): Anbruch einer neuen Zeit: Wie Virtual Reality unser Leben und unsere Gesellschaft verändert, S. 192 ff.). Sie ermöglicht uns nicht nur, uns in der virtuellen Realität überhaupt mit dem Körper eines Avatars zu identifizieren, sondern der Homunkulus kann darüber hinaus Körper adaptieren, die sich von der menschlichen Form erheblich unterscheiden. So kann man z. B. erstaunlich schnell lernen, mit einem dritten Arm oder einem Schwanz umzugehen.

Projekt
Diese Zusammenhänge werden in unserem Projekt mit den heutigen technischen Mitteln erkundet und durch die Umsetzung in der Game-Engine Unity erlebbar gemacht. Aufbauend auf den Forschungsergebnissen von Lanier et al. werden zu diesem Zweck drei verschiedene spielbare, nicht-menschliche Avatare entwickelt:
1. Avatar mit nichtmenschlichem Körper, z. B. mehr als 4 Gliedmaßen
2. aus mehreren Körpern bestehender Avatar = Steuerung vieler Figuren
3. aus der Umgebung bestehender Avatar = Steuerung der virtuellen Umgebung

Residenz
Im Rahmen einer vierwöchigen Forschungsresidenz an der Schaubude Berlin im Sommer 2021 hatten wir die Möglichkeit, das Projekt bereits ausgiebig zu strukturieren und die ersten Entwürfe der Avatare zu prototypen. Mit den Ergebnissen aus dieser Recherchephase konnten wir mit der #TakeHeart-Residenz in eine vertiefende Planungsphase gehen und konzeptionieren, wie die Umsetzung der einzelnen Avatare und ihre Spielbarkeit sich gestalten soll.
So entstanden Skizzen in den Bereichen Look&Feel, Erzählstrategie, Spielmechanik, Architektur der Programmierung, Inszenierungsweise und Präsentation. Außerdem haben wir uns mit Versionskontrolle beschäftigt und einen geeigneten Workflow entwickelt. Mit den Rechecheergebnissen aus der Residenz und viel Spaß am Gerät sind wir anschließend in die Realisierung des Projekts gegangen, so dass wir es im April 2022 erstmals in Hamburg ausstellen können.

Lena Biresch kommt ursprünglich aus dem Theaterbereich, wo sie als Regieassistentin, Stückautorin und Regisseurin tätig war. Seit 2016 beschäftigt sie sich verstärkt mit den neuen immersiven und interaktiven Medien, was in eine Ausbildung zur Spiele-Programmiererin mit Schwerpunkt Virtual Reality mündete, die sie 2020 mit Diploma abschloss. Seither arbeitet sie als freie Virtual Reality Experience Designerin, zuletzt als Stipendiatin an der Akademie für Theater und Digitalität in Dortmund, wo sie ein kollaboratives Spiel entwickelte, das Virtual und Augmented Reality miteinander verbindet.
Tore Nobiling war nach seinem Studium in Kommunikationsdesign an der Design Factory in Hamburg u. a. als Motion Designer bei der Cream Colored Ponies GmbH in Hamburg beschäftigt. Seit 2020 ist er als freier 3D Artist für Musikschaffende und in der Event- und Kulturbranche tätig, so z. B. für den Kulturelles Neuland e. V. im Rahmen der Crowdfunding Kampagne »Rettet das ewige Nice« oder das MS Artville Festival der Kopf & Steine GmbH. Bezeichnend für seine Kunst sind die Verschmelzung von organischen Formen ins Absurde mit Hilfe von 3D-Modelling, Sculpting und verschiedenen Render-Techniken.
Nico Parisius arbeitet im Theater sowohl auf der Bühne als auch vor dem Computer. Als Puppenspieler und creativ coder interessieren ihn die Möglichkeiten digitaler Techniken im Theater. Nach seinem Studium an der HfS »Ernst Busch« Berlin, Abteilung Puppenspielkunst war er bis 2020 Ensemblemitglied am Puppentheater Halle. In dieser Zeit war er Teil verschiedener internationaler Kooperationen wie mit der »Handspring Puppet Company« und der Regisseurin Robyn Orlin oder der »Marc Sinan Company«. 2021 war er Stipendiat an der Akademie für Theater und Digitalität in Dortmund. Derzeit arbeitet er sowohl unter eigenem Namen als auch unter dem Label »Das Hybris« als Puppenspieler, Schauspieler, Regisseur und Medienkünstler.