Jana Barthel, Alexandra Semmler und Team: Wolkenforscher:innen

In einem experimentellen und explorativen Prozess entdeckten die Wolkenforscher:innen das reale und fiktive Phänomen Wolken und gestalteten eine partizipative Theaterinstallation, die gemeinsam von Kita-Kindern und dem künstlerischen Team umgesetzt wurde. Aus dieser Projektarbeit werden wir im Winter 2022 ein neuartiges Tool für den Kita-Alltag entwickeln – eine Forscher:innenkiste, die in Kitas autark von Pädagog:innen genutzt werden kann.

Das Konzept entwickelten die Bühnenbildnerin Jana Barthel und die Atelierpädagogin Alexandra Semmler im Sommer 2021. Nach der Vorbereitungs- und Recherchephase im Frühjahr 2022 planten sie zunächst die Projektarbeit mit Kindern aus dem INA.KINDER.GARTEN Prenzlauer Berg im Sommer 2022.

In zwei Projektwochen setzten sich die Kinder nun begleitet von Alexandra Semmler, Jana Barthel, der Puppenspielerin Kotti Yun, dem Musiker Markus Stein und dem Videokünstler Moritz Freudenberg mit allen Facetten von Wolken auseinander. In einer Vorprobe hatte das künstlerische Team verschiedene Schwerpunkte vorbereitet und den Kindern mitgebracht.


In der ersten Woche lag der Schwerpunkt auf der Exploration des Themas. Die Gruppe sprach, zeichnete und fantasierte zum Thema. Die Kinder besuchten das meteorologische Institut der FU Berlin und lernten die Wissenschaftlerin Dr. Ines Langer und verschiedene Messgeräte kennen. Sie führten selbst ein Experiment zur Verdunstung durch, fertigten wissenschaftliche Aufzeichnungen an und richteten im Garten der Kita eine Wolkenbeobachtungsstation ein. Der Arbeitsraum verwandelte sich von Tag zu Tag mehr in ein Wolkenlabor. Die Gruppe gestaltete eine eigene Cumulonimbuswolke.

Faszinierend waren vor allem die Geheimsprache der Wolken, die schwedischen Frauenhaare, die bis heute zur Messung der Luftfeuchtigkeit dienen, die komplizierten Namen der Wolken, die Idee einer Radiosendung oder eines Orchesters aus Sicht der Wetterphänomene Blitz und Donner und das Buch »Wolkenbrot« von Baek Hee Na.

Wolkenforscher:innen Tag 2, Fotos: Alexandra Semmler

Botschaft von Cirrus, Audio: Markus Stein

In der zweiten Woche lag der Schwerpunkt auf der praktischen Umsetzung. Am ersten Tag reflektierte die Gruppe die erste Woche und stellte selbst Wolkenbrot her. Per Post kam eine Nachricht von der Cirruswolke auf Kassette, die die Gruppe bat, ein Unwetter für sie zu veranstalten, da es seit Tagen nicht geregnet hatte. Mit der Botschaft kam auch ein Paket mit einem Modell vom Arbeitsraum, das verschiedene Ideen für Kostüme, Instrumente und die Verwandlung des Raums in eine Wolkenlandschaft skizzierte.

Modell, Fotos: Alexandra Semmler

»Die Kinder sind begeistert von der Idee und schmieden sofort Pläne, was wir alles brauchen, um ein Gewitter zu spielen. Vor allem wollen die Kinder sich verkleiden. Glücklicherweise ist Jana Bühnenbildnerin und kennt sich sehr gut mit Kostümen aus. Sie schlägt vor, dass wir am nächsten Tag T-Shirts in den Farben der Wolken batiken könnten. Durch diese Färbetechnik können T-Shirts aussehen wie der Himmel. Die Kinder machen einige Entwurfskizzen, da die Ideen nur so durch den Raum fliegen. Die Kinder zeichnen verschiedene Kostüme für Blitze, den Wind, die Sonne und den Regen. Können wir die Entwürfe umsetzen? Die Spannung am Ende des sechsten Tages ist groß.«

Tag 6, Auszug aus der Dokumentation, Alexandra Semmler

In den nächsten Tagen entstanden schrittweise Ideen, Entwürfe und dann Kostüme. Es wurden verschiedene richtige und improvisierte Instrumente ausprobiert sowie die Sounds, die Menschen mit dem Körper machen können. Der Raum verwandelte sich immer mehr in eine Bühne für eine Wolken-Performance. Der Frage, wie eigentlich ein Orchester funktioniert, näherte sich die Gruppe an durch tägliches Üben eines Haikus zum Wasserkreislauf mit Handzeichen; auch unterschiedliche Übungen zum Dirigieren und Sich-Abstimmen ohne Sprache brachte die Gruppe Stück für Stück voran.

»Zuerst trafen wir uns in einem kleinen Kreis und Kotti startete mit verschiedenen Techniken, um sich für eine Performance vorzubereiten. Wichtig ist dabei, dass alle gut aufeinander achtgeben und sich alle an gemeinsame Absprachen halten. Während einer Aufführung oder Performance geht das z. B. über Augenkontakt, Blicke und Zeichen. Das probierten wir eine Weile gemeinsam aus. Gar nicht so einfach, nur mit Blicken zu kommunizieren: Es braucht Geduld, Achtsamkeit und Ruhe, damit niemand durcheinanderkommt.«

Tag 9, Auszug aus der Dokumentation, Alexandra Semmler

So wollte die Kindergruppe die Probedurchläufe am vorletzten Tag ohne die Erwachsenen planen und sie als Überraschung für das Team aufführen. Am letzten Tag wurde alles noch professioneller mit einigen Spezialeffekten und der Möglichkeit, sich im Backstagebereich zu schminken.

»Die Sonne ging langsam auf und ihre Strahlen breiteten sich im ganzen Raum aus. Der Wind blies über die Bühne und bald schon zog eine dicke Regenwolke auf und die Sonne verschwand hinter einer Wand aus Wolken, Sturm und Regen. Die Wolken in Form von Kissen flogen über die Bühne. Natürlich fehlten Blitz und Donner, doch sie ließen nicht lang auf sich warten. Am Ende des Gewitters beruhigte sich alles  und die Sonne kam wieder heraus und der Wind blies sanft über die Bühne. Ein sehr besonderes und großartiges Gewitter ging zu Ende.«

Tag 10, Auszug aus der Dokumentation, Alexandra Semmler

Die Ergebnisse der Projektarbeit Wolkenforscher:innen wurden im Anschluss im INA.KINDER.GARTEN Prenzlauer Berg für die anderen Kinder und deren Eltern ausgestellt. Die Ausstellung wurde verlängert bis 7. September 2022.

Ausstellung, Foto: Alexandra Semmler

Die Entwicklung der Wolkenforscher:innen-Kiste ist geplant für den Winter 2022.

Konzept / Künstlerische Leitung: Jana Barthel
Konzept / Atelierpädagogik: Alexandra Semmler
Puppenspiel: Kotti Yun
Sound: Markus Stein
Video: Moritz Freudenberg

Das Projekt Wolkenforscher:innen wird im Rahmen der #TakeHeart-Prozessförderung gefördert vom Fonds Darstellende Künste aus Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien im Rahmen von Neustart Kultur. Für die freundliche Unterstützung gilt unser Dank Dr. Ines Langer vom Institut für Meteorologie der Freien Universität Berlin, Stéphane Bauer und dem Kunstraum Kreuzberg/Bethanien sowie Christoph Westerbarkey und Delight Rental Services.

Im Vorfeld dieses Projekts wurde Jana Barthel mit dem Recherchestipendium #TakeHeart-Residenzförderung von der Schaubude Berlin und dem Netzwerk flausen+ gefördert vom Fonds Darstellende Künste aus Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien im Rahmen von Neustart Kultur.


Jana Barthel ist eine interdisziplinäre Künstlerin. Sie arbeitet mit Installation, Zeichnung, Malerei und Text. In der Zusammenarbeit mit Regisseur:innen, Performer:innen und Puppenspieler:innen liegt ihr Schwerpunkt auf der Konzeption und Gestaltung von Bühne, Kostümen, Puppen und Objekten. Ihre letzten Projekte waren die Webserie »Walden – Live from the Woods« mit Studierenden der Zeitgenössischen Puppenspielkunst an der HfS Ernst Busch Berlin und die Produktion »Danish Pork« mit ihrer Gruppe Søgaard/Barthel/Glöckler in der Schaubude Berlin. Als Futuremaps030 schreibt und performt sie Texte und veröffentlichte kürzlich ihr erstes Album im Rahmen der Kunstausstellung »Gegenwarten | Präsenzen« in Chemnitz. Sie lebt in Berlin.