Zusammengekneter Zitat-Teig aus dem THEORIE-CAFÉ: DINGE ZUR GRENZWANDERUNG (de/en)

English version below

Eine Erfahrung ist etwas, aus dem man verändert hervorgeht. Im Theorie-Café gehen wir diesen Spielräumen der Verwandlung nach. Kleidung zum Schlüpfen in andere Rollen. Es ist eine falsche Alternative, wenn wir sagen: entweder man ahmt etwas nach oder man ist. Es gibt einen Block des Werdens, der die Wespe und die Orchidee umfasst, aus dem aber keine Wespen-Orchidee hervorgehen kann. Es gibt einen Block des Werdens, der die Katze und den Pavian erfasst und bei dem ein Virus C das Bündnis herstellt. Es ist nicht so, dass der Mensch auf der einen Seite steht, und der bewohnt eine Umgebung. Als sei ich bei der Schöpfung der Welt dabei gewesen und als könne ich nur für eine Welt verantwortlich sein, die aus meinem freien Willen hervorgegangen ist. Abraham fragt seine Besucher nicht, woher sie kommen, wohin sie gehen oder wer sie sind. Nachdem er einmal Atem geholt hatte, breitete er erneut eine tiefe Stimme wie einen Teppich aus, auf dem dann einige andere Stimmen erscheinen konnten. Hospitalität entspricht einem Besuchsrecht, das besagt, dass ein jeder Mensch das Recht habe, anderswo nicht feindlich behandelt zu werden. Der Einzelne ist aus diesem Land entstanden und seine seelische Identität findet sich so in dem Land wieder, dass er sich als eine Form von Expression, eine Spielart, eine Ausdrucksweise dieses Landes denkt. Die Toten z.B., die keinen eigenen Resonanzkörper haben, konnten sich in der Stimme des Mönchs hörbar machen. Er verbeugt sich vor ihnen, er bietet ihnen seine Gastfreundschaft an und bereitet ihnen die beste Mahlzeit zu, die sein Haushalt zu bieten hat. Ayahuasca und Kotzeimer, um sich für kosmische Kräfte und Naturgeister empfänglich zu machen. Der aufnehmenden Person wird das Recht zugestanden, den Besuch abzuweisen, wenn dies ohne dessen Untergang geschehen kann. Es braucht Dinge, die den Übergang ermöglichen. Sauerstoffflaschen und Tauchmasken, um die Welt der Meereswesen kennenzulernen. Bald wurde mir schwindelig. Lange bevor ein Mensch Freiheitsideen entwickeln kann, lebt er in Abhängigkeit von Anderen. Smartphone und Netz, um sich in Foren mit Menschen anderer Länder auszutauschen. Nur in einem Zustand, in dem man nicht auf Verstehen fixiert ist, kann man sie hören. Der Austausch über persönliche Erlebnisse geht in kurze Lektüren und Diskussion von Texten über, die diese Erfahrungen theoretisch einbetten. Ich fing an, beim Sprechen auf die Nebenstimmen zu achten. Das Erzählen trat nicht mehr an die Stelle des Zuhörens, vielmehr entstand eine Erzählung durch das Zuhören. Es ist schwer, die Sprache der Puppen zu verstehen. Sie sind für unsere Ohren meistens stumm. Wir sind auf mediale Prothesen angewiesen, um Grenzwanderungen zwischen Kulturen, Spezien, Komfortzonen, Elementen zu machen. Problematisch sind folglich hohe Selbstideale, welche die Macht des individuellen Willens falsch ein- bzw. überschätzen. Dies münde zuletzt in subjektive Willkür, die mit eigenen Vorstellungen beginne und dabei bleibe, während das vom Anderen her Kommende abgewehrt und ignoriert werde. Wollen wir mit der Welt in Kontakt kommen, dann müssen wir uns auf sie einlassen. Ich bin das Land – und das Land ist ich. Ich schreibe nur, weil ich noch nicht genau weiß, was ich von dem halten soll, was mich so sehr beschäftigt. Die dünne Luft um mich wurde noch dünner, und die fernen Berge wurden blass. Was real ist, ist das Werden selber, der Block des Werdens, und nicht angeblich feststehende Endzustände. Eine Weltsicht jenseits des Natur-Kultur-Dualismus, die von vielen Stammesgesellschaften geteilt werde. Angereichert durch unseren Gesprächskreis kann im Anschluss die Performance »Eutopia« besucht werden. Die Lupe, mit der als Kind Insekten beobachtet wurden. Ich schaute in den Tempel hinein und sah einen einzigen Mönch, der dort saß und betete. Dabei unterscheidet er zwischen einer unbedingten und einer bedingten Gastfreundschaft. Er benötigt Fürsorge, um überhaupt befähigt zu werden, freiheitsbewusst zu agieren. Camouflage und Nachtsichtgeräte, damit die Tiere des Waldes sich zeigen. Ein Buch zum Abtauchen. Ein Parfum, das andere wie magisch anzieht und Kennenlernen garantiert.

Zitate aus unserem Reader, mit Texten von Yoko Tawada, Emmanuel Levinas, Heidemarie Bennent-Vahle, Gilles Deleuze, Félix Guattari, Jacques Derrida, Coretta Ehrenfeld, Michel Foucault, Simone Miller, Andreas Weber, Beate Absalon, Sebastian Köthe

English

Mixed and kneaded quote dough from the THEORY CAFÉ: THINGS TO WALK ALONG BORDERS

An experience is something from which you emerge changed. In the theory café, we explore these spaces of transformation. Clothes for slipping into other roles. It is a false alternative if we say: either you imitate something or you are. There is a block of becoming that encompasses the wasp and the orchid, but from which no wasp-orchid can emerge. There is a block of becoming that encompasses the cat and the baboon and in which a virus C creates the alliance. It is not that the human being is on one side and inhabits an environment. As if I had been present at the creation of the world and as if I could only be responsible for a world that emerged from my free will. Abraham does not ask his visitors where they come from, where they are going or who they are. After catching his breath, he spreads a deep voice like a carpet, upon which several other voices can then appear. Hospitality aligns with the right of visitation, meaning that every individual has the right not to be treated with hostility when elsewhere. The individual has emerged from the land and his*her*their spiritual identity is found in the land in such a way that one thinks of oneself as a form of expression, a variation, a mode of expression of this land. The dead, for example, who have no resonating body of their own, could make themselves heard in the monk’s voice. He bows to them, offers them his hospitality and prepares them the best meal his household has to offer. Things are needed to make the transition possible. Smartphones and internet to communicate with people from other lands in forums. The magnifying glass used to observe insects as a child. We rely on media prostheses to cross borders between cultures, species, comfort zones and elements. Long before a person can develop ideas of freedom, they live in dependence on others. Oxygen tanks and diving masks to get to know the world of sea creatures. I soon felt dizzy. Ayahuasca and vomit buckets to become receptive to cosmic forces and nature spirits. The receiving person is granted the right to refuse the visit if this can be done without causing their downfall. The exchange about personal experiences leads into short readings and discussions of texts that theoretically embed these experiences. I began to pay attention to the subordinate voices when speaking. Telling no longer took the place of listening, rather a narrative was created through listening. Consequently, high self-ideals that misjudge or overestimate the power of individual will are problematic. This ultimately leads to subjective arbitrariness, which begins with one’s own ideas and stays with them, while what comes from others is rejected and ignored. If we want to come into contact with the world, we have to engage with it. I am the land – and the land is me. I am only writing because I don’t yet know exactly what to make of what is catching my attention. The thin air around me became even thinner, and the distant mountains turned pale. The becoming itself is real, the block of becoming is real, and not supposedly fixed end states. A world view beyond the nature-culture dualism shared by many tribal societies. Enriched by our discussion group, the performance “Eutopia” can be visited afterwards. I looked into the temple and saw a single monk sitting and praying. He distinguishes between unconditional and conditional hospitality. He needs to be cared for in order to be able to act freely at all. Camouflage and night vision devices to reveal the animals of the forest. A book to dive into. A perfume that magically attracts others and guarantees getting to know them.

Quotes from our reader, with texts by Yoko Tawada, Emmanuel Levinas, Heidemarie Bennent-Vahle, Gilles Deleuze, Félix Guattari, Jacques Derrida, Coretta Ehrenfeld, Michel Foucault, Simone Miller, Andreas Weber, Beate Absalon, Sebastian Köthe

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 »Theorie-Café #11: Dinge zur Grenzwanderung«
Beate Absalon, Sebastian Köthe