Mit dem Programm #TakeHeart werden ergebnisoffene Recherchen und konzeptionelle Entwicklungen künstlerischer Vorhaben unterstützt. Die neue Förderlinie des Fonds Darstellende Künste im Rahmen von NEUSTART KULTUR – dem von der BKM finanzierten Rettungs- und Zukunftspaket für den Kultur- und Medienbereich – soll ebenso wie das Programm der #TakeCareResidenzen aus dem Vorjahr die Auswirkungen der Corona-Pandemie im Kulturbereich abmildern und den Wiederbeginn kulturellen Lebens in Deutschland stärken.
In Kooperation mit dem Netzwerk flausen+ begleitet und unterstützt die Schaubude Berlin im Rahmen der #TakeHeartResidenzförderung von Dezember 2021 bis August 2022 15 ausgewählte Recherchevorhaben von insgesamt 24 Künstler*innen und Absolvent*innen der freien Figuren- und Objekttheaterszene. Bis zur Jahresmitte erscheinen sukzessive Beiträge zu den Projekten auf dem Schaubude-Blog.
Überblick der Residenzvorhaben
PRESS [ST]ART: Me, Myself & My Avatars (or remapping the homunculus)
Virtual Reality Designerin Lena Biresch, 3D-Künstler Tore Nobiling und Puppenspieler und Creative Coder Nico Parisius setzen in ihrem Projekt die Recherche ihrer Sommerresidenz 2021 an der Schaubude Berlin fort, in der es um die Bedeutung von Avataren in der virtuellen Realität und das Austesten der Grenzen ihrer Steuerung ging. Fokussiert werden unter anderem Erzählstrategien, Programmierungsarchitektur und Spielmechanik.
Antonio Cerezo: Humboldtgips
Der in Berlin lebende mexikanische Schauspieler, Regisseur, Puppenspieler und Choreograf beschäftigt sich in seinem Forschungsvorhaben anhand des alltäglichen Materials Gips mit den hochkomplexen Beziehungen zwischen Europa/Deutschland und Lateinamerika sowie mit Humboldt, dem »Entdecker«. Gips und der Körper des Performers werden in szenischen Experimenten einen utopischen, erweiterten Körper erschaffen.
Hund: GRAS FM
Die Mitglieder der Band »Hund« Frieda Gawenda, Felix Koch und Sebastian Schlemminger arbeiten neben der Musik auch in den darstellenden Künsten mit den Schwerpunkten Performance, Figuren- und Objekttheater, Sounddesign und Requisitenbau. Die Residenz wollen sie nutzen, um ihr Liederprogramm mit darstellenden Mitteln als szenisches Konzert auszuformulieren.
lost [s]objects: Im Spinnennetz der Zeit – Anatomie der Hexverfolgung
Teil von »lost [s]objects« sind Puppenspieler und -bauer Paul Hentze, Regisseurin Friederike Förster, die auf dokumentarisches Figurentheater fokussierte Josephine Hock sowie Artemiy Shokin (freischaffender Künstler und Szenograf) und Kristin Brunner (freischaffende Künstlerin). Während ihrer Residenz beschäftigt sich das Kollektiv mit den vergessenen Zusammenhängen der Hexenverfolgung als systematischem Femizid und Formen weiblichen Widerstands im Kontext der Entstehung des Kapitalismus. Mittels Puppen- und Objekttheaterformen wird untersucht, wie über lange Zeiträume vollzogene gesellschaftliche Veränderungen auf der Bühne erleb- und nachvollziehbar gemacht werden können.
Tatjana Reeh: Identität und Horror
In der Recherche untersucht die studierte Bühnenbildnerin Tatjana Reeh die wechselseitige Beziehung zwischen Horror und Identität und macht sich dabei in einem filmischen Knet-Experiment auf die Suche nach einer Identität der Vielheit. Dabei fragt sie sich, ob und inwieweit Horror-Identitäten auch als Chance begriffen werden können, um neue Identitätskonzepte zu bilden.
Fabian Raith: Neue Erinnerungen eines immerwährenden Landes
Der Augmented-Reality-Künstler und Absolvent des MA-Studiengangs Spiel und Objekt arbeitet an der Schnittstelle von Digitalität, Partizipation und Performativität. Ausgehend von der Idee, dass Identitätspolitik und künstlichen Intelligenzen die Fortschreibung der Vergangenheit in die Gegenwart gemein ist, fokussiert seine Recherche den performativen Einsatz eines Cycle GANs. Gespeist aus einer Bilddatenbank schafft diese KI neue Bilder, die denen der Datenbank ähneln. Im Zusammenspiel von KI und Publikum soll ostdeutsche Baukunst – wie Plattenbauten – visuell neu entstehen.
Jana Barthel: Wolkenforscher:innen
Die bildende Künstlerin und Bühnenbildnerin Jana Barthel beschäftigt die Frage, wie aus Neugier und Forschungsdrang von Kindern ein Motor im Umgang mit gesellschaftlichem Wandel werden kann. Hierzu stellt sie während der Residenz Vorrecherchen zur Entwicklung eines neuen Tools für die künstlerisch-forschende Arbeit mit Kindern und Jugendlichen an: »Forscher*innenkisten« zu diversen Themen und für bestimmte Altersgruppen.
Jonathan Schmidt-Colinet: In the thick of it
Der mit den Mitteln Performance, Bühnenbild, Grafikdesign und Illustration arbeitende Künstler knüpft mit der Residenz an vorherige Recherche- und Forschungsprojekte zu den Begriffen Modell und Landschaft an. Im Vordergrund steht das Experimentieren mit künstlichen und natürlichen Objekten, den Möglichkeiten ihrer Transformation sowie mit verschiedenen Kamera- und Zuschauer*innenperspektiven.
Martina Couturier: MUT MACH MÄDCHEN
Für die zukünftige Inszenierung eines Märchens, in dem eine kraftvolle Mädchenfigur eine führende Rolle einnehmen soll, möchte sich Figurenspielerin Martina Couturier auf die Suche begeben nach mutigen Heldinnen aus Märchen aller Welt. Gesucht werden starke Mädchengestalten jenseits der Klischeerollen, die mutig, wehrhaft und fantasievoll sind.
Yasmine Salimi: An der Schwelle schreiben
Die freie Dramaturgin und Übersetzerin Yasmine Salimi nutzt die Residenz, um sich ausgehend von eigenen Erfahrungen und Lektüren in einer postmigrantischen und digitalisierten Gesellschaft im szenischem Schreiben zu üben. Sie fokussiert dabei die Frage, wie sich aus ihrer Perspektive über aktuelle Aushandlungsprozesse der Diversifizierung in Gesellschaft und Kultur schreiben lässt.
Naoko Tanaka: Bäume verlassen uns – eine dokumentarische Fantasie
Die Künstlerin Naoko Tanaka kombiniert in ihren »Installationsperformances« Elemente aus Bildender Kunst und zeitgenössischem Tanz auf eine ganz eigene Art und Weise. Ausgehend von dokumentarischem Material zu einer Protestaktion gegen die Baumfällung in einer Berliner Grünanlage werden hypothetische Möglichkeitswelten entwickelt. Mit »bewegenden Zeichnungen« aus Holzkohle und Graphit werden unsichtbare Kausalitäten und alternative Standpunkte nichtmenschlicher Betroffener imaginiert.
Alpha Kartsaki: Gender Inflorescence
Ist Gender etwas Natürliches oder ein menschliches Konstrukt? Haben Pflanzen auch ein Gender? »Gender Inflorescence« erforscht die faszinierende Welt der Natur im Kontext von Gender Politics. In dem Projekt geht es darum, das Spektrum der Geschlechter in Pflanzen zu zelebrieren und das menschliche Bedürfnis nach einer Geschlechtsklassifizierung zu hinterfragen.
Schroffke: The truth you see is only a projection
Figurenspieler*innen Franz Schörs und Liesbeth Nenoff möchten während ihrer Residenz eine Bild-und Klangsprache für Figurentheaterstücke erarbeiten, die gleichermaßen für ein bloß sehendes wie auch ein nur hörendes Publikum zugänglich sind. Dabei interessiert sie unter anderem, wie viel visuelle Informationen für Sehende zusätzlich zur Audioebene nötig sind, um ein Verstehen der Handlung zu ermöglichen.
Anna Renner: Unpatriarchale Bildperspektiven
Regisseurin Anna Renner experimentiert in den Bereichen Tanz, Performance und Figurenspiel mit installativen Formaten und filmischem Material. In ihrer Recherche möchte sie Bildperspektiven jenseits des genormten, patriarchalen Blicks erforschen: Wie sehen verschiedene Körperteile auf ihre Umwelt? Wie groß ist ihr jeweiliges Sichtfeld? Wie lässt sich deren Perspektive mit einer Kamera einfangen und was wird dadurch erzählt? Bei der Bildpräsentation wird sie ihren Fokus auf die Aspekte Raum, Projektionsoberfläche und Position legen.
Fiona Kelly: Kollektivismus als Antwort
Die Performerin und Kunstvermittlerin Fiona Kelly wird gleichberechtigt mit Jugendlichen dreier Berliner Schulen eine von ihr geschaffene Installation performativ zum Leben erwecken. Genauer soll das aus verschiedenen Fasern und Webtechniken bestehende »Wasser-Netz-Geschichten-Kleid«, das verschiedene Wasserfrauen-Narrative symbolisiert, dem Nass übergeben werden. Im Fokus der Recherche steht die Erforschung der Wirkung kollektiven künstlerischen Schaffens als Ausdrucks- und Kommunikationsmittel.



Beitragsbild: Antonio Cerezo, Humboldtgips (Foto: Daniela del Pomar)